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13 December 2017

Gemeinsam mit dem eGGZ Center of ARQ hat IJsfontein eine VR-Umgebung entwickelt, die es Menschen mit Depression erlaubt, ihre negativen Gedankenmuster zu durchbrechen.

Wie funktioniert es?

Stellen Sie sich die VR-Umgebung wie einen Übungsplatz vor, wie eine Art Sandkasten, in dem Sie an Ihren Problemen arbeiten können. Unter therapeutischer Aufsicht betritt der Patient eine virtuelle Umgebung, die ihn mit schwierigen Situationen konfrontiert, ihn auf einen falschen Gedankengang bringt und ihn dann schrittweise seine Gedanken wieder unter Kontrolle bringen lässt.

Warum VR?

Jeder, der schonmal eine VR-Brille getragen hat, wird bestätigen: Man betritt tatsächlich eine andere Welt – man weiß jedoch stets, dass es nicht die echte ist. Die virtuelle Welt macht es somit leichter, das in der Therapie theoretisch Erlernte in die Praxis umzusetzen.

Virtual Reality Testpersoon

 

 

 

 

 

 

Einer der ‚gesunden‘ Tester der VR-Umgebung. Der Therapeut kann auf einem Bildschirm beobachten, was die Testperson sieht.

Du bist der Kellner – und wirst ausgelacht

Unter der Anleitung des Therapeuten betreten Sie die VR-Welt. Sie sind ein Kellner eines kleinen Bistros und spielen mehrere für Kellner typische Szenarien. Sie werden beispielsweise mit zwei Damen konfrontiert, die Sie bei der Bestellung eines Kaffees auslachen. Wie reagieren Sie?

Charakteristisch für Depressionen ist, dass solche Vorfälle einen spiralartigen Gedankenzyklus in Gang setzen können: „Wenn sie mich auslachen, denken sie, ich bin dumm. Wenn ich dumm bin, kann ich meinen Job nicht erledigen und werde gefeuert. Wenn ich gefeuert werde, habe ich kein Geld mehr“ usw. Ziel des VR-Spiels ist es, den Patienten anzuleiten, andere, produktivere, Gedanken zuzulassen und so den problematischen Zyklus zu durchbrechen. Dieser Ansatz basiert auf der kognitiven Verhaltenstherapie – die meist genutzte Behandlungsmethode gegen Depressionen.

VR in doppelter Funktion

VR erfüllt gleich zwei Zwecke: Einerseits werden Sie mit Ihren eigenen „Denkfehlern“ konfrontiert, weil sie in eine Situation versetzt werden, die bestimmte Gedanken in Ihnen auslöst – wie die Situation, in der die beiden Damen Sie auslachen. Andererseits nutzen wir die VR-Umgebung auch als eine niedrigschwellige Beobachtungsübung. So können Sie beispielsweise in die Gedanken verschiedener Gäste des Bistros „hineinhören“. Ein Gast, der vor seinem Laptop sitzt, denkt zum Beispiel: „Ich bekomme kein einziges Wort zu Papier. Die denken sicher, ich tauge zu nichts.“

Kann der Therapeut sich einfach zurücklehnen?

Nein, so funktioniert es nicht. Der Therapeut spielt eine entscheidende Rolle in dieser VR-Erfahrung. Er kann aktiv beeinflussen, mit welchen Situationen der Patient konfrontiert wird. Er bestimmt zudem, wann der Computer dem Spieler Fragen stellt und kontrolliert die Funktionen – wie die, die Spieler zu alternativen Gedanken ermutigt. Der Therapeut sitzt hinter einem PC, beobachtet, was der Patient wahrnimmt, und lenkt bzw. verändert die Erfahrung. Dies ermöglicht es dem Therapeuten, jeden Patienten zu ermutigen, den nächsten Schritt zu machen – in seinem ganz eigenen Tempo.

Der Teufel steckt im Detail

Um das Drehbuch und Design so zu gestalten, dass es den charakteristischen Gedankenzyklus in so vielen Patienten wie möglich auslöst, ist Testen unabdingbar. Natürlich wird in sämtliche Tests ein Therapeut einbezogen. Wie sich zeigt, machen Details einen enormen Unterschied für die Tauglichkeit des Programms. Durch Ausprobieren verfeinern wir die kleinen Nuancen und Unterschiede. Wir testen mit gesunden Menschen, Menschen, die depressiv waren, und Menschen, die derzeit wegen Depression in Behandlung sind.

Realistisch oder abstrakt?

Im Gegensatz dazu, was man erwarten würde, haben Untersuchungen in Bezug auf visuelle Medien wie VR gezeigt: Ein abstrakter visueller Stil kann genauso gut (oder besser) funktionieren, um Emotionen realitätsgetreu darzustellen, wie eine fotorealistische Darstellung. Deshalb wurden Experimente mit verschiedenen Stilarten sehr früh im Projekt durchgeführt. Menschen betrachteten die VR-Welt in den Stilen A, B und C (siehe Bild). Der letzte, klarerweise abstrakteste Stil resonierte am stärksten. Ein Tester sagte: „Weil man den Gesichtsausdruck der Person nicht sieht, muss man verstärkt selbst interpretieren.“ Daraus resultiert, dass eine eigentlich neutrale Situation plötzlich eine negative Intonation bekommt. „Genau das wollen wir in Patienten auslösen, damit wir ihnen zeigen können, wie mit der Situation umgegangen werden kann“, sagte einer der am Projekt beteiligten Therapeuten.

fidelity level

 

 

 

 

A: Realistisch                  B: Cartoon-artig                               C: Abstrakt

 

VR im Gesundheitswesen

Was können Sie mit VR erreichen? Wir haben eine ganze Reihe von VR-Erfahrungen gesehen und entwickelt. Wir denken, dass VR eine gute Wahl ist, wenn Sie Ihre Zielgruppe etwas erleben lassen wollen, das:

  • Im echten Leben gefährlich ist
  • Im echten Leben unsichtbar ist
  • Im echten Leben sehr teuer oder zeitaufwendig wäre
  • Individuelle Aufmerksamkeit, Leitung und Feedback benötigt
  • Zu einer anderen Zeit oder an einem anderen Ort stattfindet
  • Mit Geschwindigkeit, Höhe oder einem Flugerlebnis zusammenhängt
  • Aus einer anderen Perspektive heraus besser verstanden werden kann (micro und macro)
  • Ein totales Abtauchen in eine Emotion erfordert
  • In Bezug auf eine seltene Situation stimulieren soll

 

Was kommt als Nächstes?

Das Potenzial von VR im therapeutischen Kontext wird immer offensichtlicher. VR kann genutzt werden, um Ängste vor Höhen, engen Räumen, Menschengruppen und Fliegen zu behandeln. Erste Forschungsergebnisse zum Einsatz von VR für die Behandlung von Patienten mit posttraumatischer Belastungsstörung, die unter anderem von der Erasmus Universität Rotterdam und der Delfter Universität für Technologie durchgeführt wurden, sind vielversprechend.

VR eignet sich besonders für die Konfrontationstherapie. Der große Vorteil ist: Die Situation und die Intensität der Konfrontation ist komplett kontrollierbar – so kann jeder in seinem eigenen Tempo üben, beispielsweise mit einer Panikattacke oder dem Verlust der Beherrschung besser umzugehen. Andere Anwendungsbereiche, die wir momentan bearbeiten, sind Meditation, Stressreduktion und Schmerzerfahrung.

Würden Sie gern Ihre Erfahrungen als Therapeut einbringen?

Wir suchen nach praktizierenden Therapeuten, die mit uns über die Anwendungsmöglichkeiten und die Implementierungsanforderungen für die Anwendung nachdenken. Interessiert? Senden Sie eine E-Mail an stephan@ijsfontein.de.

Virtual Reality Testpersoon